Samstag, 24. März 2012

Robert und der Klassenlehrer

Eines Tages kommt der Klassenlehrer in die Klasse. Ihn begleitet ein schwarzäugiges, pummeliges Mädchen. "Der Robert gehört schon zu Eurer Klasse, der David gehört schon zu Eurer Klasse. Die Cigdem hier gehört jetzt auch zu Eurer Klasse.", stellt der Klassenlehrer das Mädchen vor.

Du lieber Mann! Da ist was los! Am lautesten regt sich Robert auf. Robert ist der Klassensprecher und ein bekannter Draufgänger und Klassenschläger; dominant, rechthaberisch, besserwisserisch. Die ganze Klasse fürchtet sich vor ihm. Am meisten fürchtet sich David vor Robert. Er ist nämlich ein Außenseiter. Und Robert hat es deshalb ganz besonders auf David abgesehen. Oft genug schindet und quält Robert ihn ohne erkennbaren Anlaß. Nichts kann Robert von seiner sadistischen Lust abbringen. Alle seine Klassenkameraden gehen David aus dem Wege. Niemand will es sich ja mit Robert verderben. Und da sich Robert nun erregt, sind alle anderen in der Klasse auch erregt, denn alle wollen ihren Frieden, besonders aber ihren Frieden mit Robert.

Und nun soll plötzlich Cigdem in die Klasse aufgenommen werden. Da steht Robert auf, der Klassensprecher, und hebt an zu sprechen:

"Ich weiß nicht, wie Sie darauf kommen, Cigdem gehörte nun ganz plötzlich (12) zur Klasse! (1) Ich weiß aber, was Sie meinen, Herr Klassenlehrer! (2) Ich verrate es Ihnen: Die gehört nicht hierher! Die ist primitiv und rückständig! Die mögen wir nicht! (4)"

Robert begründete nun:

"Wir haben nämlich ganz andere Traditionen. (7) Die machen unsere Klasse wenig einladend (5, 6), müssen Sie wissen, lieber Herr Klassenlehrer! Und die Parallelklasse ist auch nicht besser! Diese Musterschüler und Lieblinge des gesamten Lehrkörpers wollen Cigdem nämlich auch nicht! (8, 11) Sie dürfen jetzt nicht denken, Herr Klassenlehrer, wir wären überheblich, intolerant, frech und ungezogen! Nein, das sind wir nicht. Wir stellen nur hohe moralische Ansprüche über Ihre falsche Toleranz. Seit langem hat sich unsere Klasse auf diese Ansprüche verständigt, und Cigdem ist zu primitiv und barbarisch, um ihnen genügen zu können. Da müssen wir uns vorsehen, damit nicht diese Kreatur unsere Klasse übernimmt, und unsere Ansprüche verdrängt, nur weil wir sie nicht entschlossen genug verteidigen. Da müssen Sie sich schon damit abfinden, Herr Klassenlehrer, daß wir jedem die Fresse polieren, der sich uns nähert und unseren hohen moralischen Ansprüchen nicht genügt. (9) Diese Cigdem da genügt unseren moralischen Ansprüchen nicht. (15) Solche Leute wie Cigdem pflegen ja friedliche Menschen vollkommen grundlos zu einer blutigen Masse zusammenzuschlagen. Haben Sie denn keine Angst? Sie lieben doch Ihr Leben, Herr Klassenlehrer! Nicht?"

Er drückt sich sehr mitfühlend aus. Aber Cigdem kommt überhaupt nicht dazu, den Klassenlehrer etwas anzutun, denn er wird vom Dienst suspendiert, weil er angeblich ein paar herumliegende Bleistifte hat mitgehen lassen. Jetzt kämpft er um seine Pension.

Genau wie diesem Robert, den wir soeben kennengelernt haben, ist auch vielen anderen Bürgern in unserem Lande nicht jedermann deutsch genug, um in unserem Land in Frieden leben zu dürfen. Wir würden uns ja nicht helfen, das zu übersehen. (4) Bürger wie Robert haben Wertschätzung verdient. Ihnen muß zugehört werden, auch wenn es manchmal unbequem ist. Nichts anderes bedeutet Freiheit. Und wenn sich Robert bemühen würde, sich etwas diplomatischer auszudrücken, dann kann sogar aus ihm ein Bundespräsident werden, denn er lebt ja in einem guten Lande. Seine Freiheit gibt ihm wunderbare Möglichkeiten.

Im vorliegenden Beitrag habe ich in Klammern Zahlen hinzugefügt, die sich auf die Punkte in Till Westermayers Blogbeitrag beziehen. Diese Punkte enthalten geeignete Vorschläge, um sich diplomatischer auszudrücken. Jetzt kann nichts mehr schiefgehen.

Nachtrag (2012-03-24): Er, der einmütig gewählte Kandidat der Nationalen Front, wahrhaftig heißgeliebte Führer des Volkes, hat sich redlich Mühe gegeben, die Bedenken bezüglich seiner Person zu entkräften. Warten wir ab! Einen proletarischen Klassenstandpunkt wird man selbstverständlich niemals von ihm erwarten können. Aber vielleicht kann er ja mich überzeugen, so daß er mir ebenso gleichgültig wird wie Christian Wulff, Richi Weizsäcker und all die anderen Bundesgrüßauguste.

Montag, 5. März 2012

Zusammenhänge

Das ist ja prima! Endlich kommen die Netzbürger dahinter, wen sich unsere Republik mit Herrn Gauck einhandelt. Bis vor noch nicht allzu langer Zeit waren ja kritische Anmerkungen zu seiner Person selten. Die Begeisterung für seine Person habe ich nie verstanden. Netzbürger halten sich doch sonst für kritische Zeitgenossen und lehnen die Bildzeitung ab.

Mir war der Mann nie sympathisch. Ich wußte aber nie, wie ich diesen Widerwillen rechtfertigen soll. Jetzt endlich ahne ich, wie eine Rechtfertigung beginnen könnte. An anderer Stelle erwähnte ich schon, daß man häufig den Kontext deutlich machen muß, wenn man Aussagen richtig verstehen will. Es heißt ja, kritische Netzbürger würden Herrn Pfarrer Gaucks Aussagen aus dem Zusammenhang reißen.

Nein, mit dem Zusammenhang steht alles in bester Ordnung. Die meisten Netzbürger verstehen Herrn Pfarrer Gauck schon richtig. Aber den Zusammenhang müßte man deutlich machen. Zum Glück gibt es aber ja das Internet, an dem sich jeder Weltbürger beteiligen kann. Das, was man im Internet findet, entspricht genau dem, was der Weltbürger denkt. Dafür liebe ich das Internet! Es bietet nicht nur die Pressefreiheit für jeden. Es dokumentiert auch jeden Gedanken, jede Dummheit, jeden Konflikt und jede Ideologie, und natürlich auch, wie Herr Pfarrer Gauck in der Öffentlichkeit verstanden wird. Ich verpflichtete ja nicht umsonst schon jeden klugen Menschen zur Lektüre problematischer Internetinhalte, also auch schräger, böswilliger, antisemitischer Inhalte, und forderte von diesen Menschen, daß wenn sie sich über sie auslassen, daß sie das mit Angabe von Quelle tun mögen.

Da gibt es einen melancholischen Blog, der sich mächtig ins Zeug legt, Herrn Pfarrer Gauck zu verteidigen. Dumm für ihn ist, daß er meine Abneigung gegenüber Herrn Pfarrer Gauck nur bestätigt, und ich zu ahnen beginne, woran das liegt. Diesen Blog empfehle ich also ausdrücklich der Lektüre. Der betreffende Blogger schreibt aus einer sehr persönlichen Sicht, und sehr eindringlich, und sehr ehrlich. Dieser Blog macht einen starken Eindruck. Dank seinen Ausführungen weiß ich, wie die Verteidiger Gaucks Gauck verstehen. Und dank der persönlichen Perspektive und seiner beachtlichen Ehrlichkeit entwickelt dieser Blogger wohl unbeabsichtigt ein grandioses Bild seines Ressentiments, seiner Projektionen, die seinem misanthropischen Weltbild zugrunde liegt, das ihn dazu bringt, Herrn Pfarrer Gauck zu verteidigen. Aber bitte, lest selbst! - und das hier gleich auch noch!

Ja, aber! Von einem einzelnen auf den allgemeinen Fall schließen; das geht nicht. Das ist sicherlich richtig. Aber dieser Blogger hat im Unterschied zu anderen durchaus Qualitäten. Zum Beispiel pflegt er sich deutlich und klar auszudrücken, besonders, wenn er psychologischen Stoff behandelt. Deshalb habe ich mich auf ihn beschränkt. Auf der anderen Seite habe ich mit Gaucks Erscheinung keine besseren Erfahrungen machen können. Für mich bleibt Gauck also jemand, der für einen zweifelhaften Begriff von Freiheit und für das Ressentiment streitet. Ich erwarte nichts Gutes von ihm.

Nachtrag: Hätte ich nur einen kleinen Augenblick gewartet, wäre dieser Beitrag nicht entstanden. Da gibt es doch tatsächlich jemanden, der zu genau derselben Zeit den gleichen Gedanken hatte wie ich, nur umfassender ausgeführt und besser formuliert.

noch ein Nachtrag: Ehe nach einer gewissen Zeit die Gauck-Geschichte vergessen ist, und man diesen Blogbeitrag vielleicht nicht mehr verstehen kann, möchte ich auf einen Aufsatz verweisen, der meine eigenen Blogbetrachtungen angestoßen hat. Sinngemäß wird hier angemerkt, daß das Netzvolk Gaucks Aussagen aus dem Zusammenhang risse. Er sei ja aber ein Mann der langen Worte, ausschweifend, ausholend, der Empathie für sein Gegenüber fähig usw., und da müsse man seine Aussagen auch differenzierter betrachten und vermeiden, sich zu schnell ein zu einfaches Urteil über ihn zu bilden.

Nun. Es gibt ja nicht nur die blökende Netzherde, die sich bei Twitter und Facebook herumtreibt. Inzwischenn etabliert sich auch die Kunst der Gauck-Exegese, die nachweist, daß Gauck, "verschwurbelt" oder "relativierend" zwar, aber doch rhetorisch ausgrenzt, spaltet. Ich möchte auf Till Westermayers Beitrag verweisen, der belegt, daß auch ein Mann der langen Worte, ausschweifend, ausholend einen Ausgrenzungsdiskurs führen kann.

Freitag, 24. Februar 2012

Konditionale Logik

Hütet Euch vor konditionaler Logik!

Ein Märchen

Neoliberale Wirtschaftsexperten erzählen auch gern Märchen. Ein Märchen, das Zinskritiker gern erzählen, haben wir ja hier schon kennengelernt, s. Kapitel "Die Fabel". Das Märchen, das die neoliberalen Wirtschaftsexperten erzählen, spielt in derselben Puppenstube. In ihr hausen ein paar Vertreter der nur in unserer Geschichte vorkommenden Spezies homo oeconomicus, die alle möglichen Berufe ausüben, etwa den des Schreiners, des Bäckers, des Metzgers, des Schuster etc. Jeder dieser Handwerker produziert ganz viel von genau einer Sorte Zeug. Der Schreiner produziert unentwegt Möbel, der Bäcker ohne Unterlaß Brote, der Metzger seinen Lebtag Würste und der Schuster Schuhe. Jeder dieser Handwerker besitzt von dem Zeug, das er produziert, bald so unglaublich viel, daß er damit die Schweine füttern könnte.

Die ersten Schuhe, die z.B. der Schuster produziert, sind ja noch nützlich. Die zweiten und dritten benötigt die Familie. Aber alle übrigen Schuhe, die der Schuster produziert, produziert er aus Jux und Dollerei, eben, weil er ein Schuster ist, und er deshalb andauernd Schuhe produzieren muß, eben weil ein Schuster seinen Lebtag lang immerzu Schuhe produzieren muß. Davon geht jedenfalls der gewöhnliche neoliberale Wirtschaftsbescheidwisser aus, und redet vom abnehmenden Grenznutzen. Damit möchte er ausdrücken, daß je länger ein Schuster arbeitet und je mehr Schuhe er produziert, desto weniger Nutzen er von seiner Arbeit hat.

Auf der anderen Seite krepiert derselbe Schuster bald vor Hunger. Denn der Schuster hat ja nichts zu essen außer den Schuhen, die er, ohne selbst zu wissen wozu, unentwegt selbst herstellt. Und sich ausschließlich von Schuhen zu ernähren, ist auf die Dauer doch recht einseitig und ungesund.

So ähnlich ergeht es allen Vertretern der Gattung homo oeconomicus in unserer Geschichte, die alle von genau einer Sorte Zeug so viel besitzen, daß sie die Schweine damit füttern könnten und von den anderen Sorten Zeug, das man so zum Leben braucht, überhaupt nichts. So sind diese Vertreter dieser Spezies eben. Doch sie wissen sich zu helfen: Sie tauschen. Sie tauschen einfach, das Zeug, das sie zuviel besitzen, gegen etwas, was sie zum Leben benötigen, anstatt es an die Schweine zu verfüttern. Dabei verbessert sich der Grenznutzen für alle Beteiligten. Der Schuster tauscht zum Beispiel nutzlose Schuhe gegen nützlichere Brote.

So stellt sich die Wirtschaft ihren Experten dar. Die Handwerker würden nun andauernd ihren Grenznutzen optimieren, indem sie andauernd tauschten. Und damit die Handwerker es etwas leichter haben, wenn sie unentwegt tauschten, haben sie sich auf ein einziges Tauschmittel geeinigt, das Geld. Und weil der Grenznutzen nach der ganzen Optimiererei optimal ist, ist auch die Geldwirtschaft, die draußen ihr Wesen treibt, grenznutzen-optimal, d.h. der Kapitalismus ist das Beste, was der Menschheit passieren konnte.

Das ist natürlich alles Quatsch!

Die Realität

Die Grundlage dieser Wirtschaftswissenschaft ist nämlich ein Märchen. Das sagte ich schon.

Es gibt nämlich durchaus Gesellschaften, in der Geld nur eine geringe Rolle spielte. Zu diesen Gesellschaften gehörte das frühe europäische Mittelalter. In dieser Gesellschaft gab es aber auch die kleinbürgerlichen Berufe überhaupt noch nicht. Die Menschen saßen damals als Bauer auf ihrer Scholle und stellten praktisch alles selbst her, was sie benötigten, auch Möbel, Brote, Würste und Schuhe. So etwas nennt sich Naturalwirtschaft, Subsistenzwirtschaft.

Erst das Hochmittelalter brachte nämlich das Bürgertum hervor, unter ihnen die Schreiner, Bäcker, Metzger und Schuster, und erst nachdem die Geldwirtschaft einzog. Wie das Geld in die Gesellschaft trat, diese Naturalwirtschaft verdrängte und die moderne kapitalistische Gesellschaft entstand, kann man u.a. hier und hier nachlesen.

Eine kapitalistische Gesellschaft betreibt Warenproduktion. Eine Ware ist ein Produkt, das ausschließlich für den Austausch gegen Geld produziert wird und nicht für den Bedarf des Produzenten. Die Wirtschaft der Schreiner, Metzger, Bäcker und Schuster entspricht genau diesem Typ. Jetzt wissen wir, warum der Schuster nicht aufhören kann, unentwegt nichts als Schuhe zu produzieren. Um Geld zu verdienen! Wer hätte das gedacht?

Damit Warenproduktion stattfinden kann, muß es also Geld geben. Dann erst können Warenproduzenten, unter ihnen die Schreiner, Bäcker, Metzger und Schuster Waren produzieren. Die Geschichte, daß sich Schreiner, Bäcker, Metzger und Schuster sich irgendwann auf ein Tauschmittel einigten, ist demnach ein Märchen. Das sagten wir bereits. Neoliberale Wirtschaftsauskenner und die schon erwähnten Zinskritiker verwechseln also konsequent Ursache und Wirkung: Das Geld ist nicht entstanden, weil es für arbeitsteiliges Wirtschaften notwendig und zweckmäßig wäre, sondern umgekehrt: Das Geld ermöglicht die Spezialisierung und die Warenproduktion.

Konditionale Logik

Konditionale Logik verführt Menschen zu derartigen Fehlschlüssen. Zunächst stellt man sich eine Welt vor. Diese Welt sieht der Realität ähnlich, wurden doch die Gegenstände, die Schreiner, die Bäcker, Metzger und Schuster der Realität entnommen, und in diese vorgestellte Welt eingeführt. Die von der Geldwirtschaft ermöglichte Arbeitsteilung und Spezialisierung praktizieren diese Schreiner, Bäcker, Metzger und Schuster auch in dieser vorgestellten Welt. Jedoch wurde diese Welt verfremdet: Dieser vorgestellten Welt wurde die entscheidende Voraussetzung für die bürgerliche Existenz dieser Handwerker aus dem Leib gerissen: das Geld.

Wie bereits erwähnt, beschreibt diese Welt kein Modell, das irgendeiner geschichtlich nachweisbaren Realität entspräche. Doch steht genau diese Welt am Anfang der Wirtschaftslehre. Zunächst stellt man fest, daß das Geld in dieser vorgestellten Welt fehlt, dem in der realen Welt die wichtige Aufgabe zufällt, die Arbeitsteilung zu ermöglichen. Das ist kein Wunder. Schließlich haben wir uns unsere Welt ja ohne Geld vorgestellt. Das dieser Welt aus dem Leib gerissene Geld hinterläßt jedoch ein großes Loch, das uns unwiderstehbar verführt, folgende falsche Fragen zu stellen: Wie kommen denn die Brote, die der Bäcker bäckt, zu den anderen Handwerkern? Dafür kann es ja nur zwei Erklärungen geben: Die erste, die Planwirtschaft fällt aus. Man hat ja bei den Kommunisten gesehen, daß die nicht funktioniert. Die andere wäre der Tausch. Eine andere Möglichkeit, wie Waren von ihrem Produzenten zum Verbraucher gelangen könnten, kann sich niemand vorstellen. Voila! Das ist der Beweis: Der Tausch ist die elementarste Wirtschaftsform.

Damit diese Logik auch schön mathematisch-deduktiv hergeleitet werden kann, rüstet man diese vorgestellte Welt mit allen möglichen Annahmen, u.a. den Grenznutzenaxiomen und noch vielen undeutlich formulierten anderen Axiomen aus. Dann muß man nur noch diese Erkenntnis aus der sich verkehrt vorgestellten Welt auf die Realität übertragen. Fertig ist der Fehlschluß.

Auf ähnliche Art ziehen Wissenschaftler auch anderer Fakultäten ihre Zuhörer über den Tisch. Sie konstruieren aus den Gegenständen der ihnen bekannten europäischen, kapitalistisch-patriarchalischen Umwelt und ihren Vorurteilen, Wertvorstellungen und Ideologien eine Welt, verwerfen zwischen diesen Gegenständen bestehende Zusammenhänge und bestimmen heimlich neue undeutliche, unbewiesene, angenommene Zusammenhänge und schließen dann auf die Realität. Das ist konditionale Logik.

Samstag, 21. Januar 2012

"Gib mir die Welt plus fünf Prozent!"

Heute habe ich gute Laune. Heute gefällt es mir, mit Pingbacks nur so um mich zu werfen. Ich linke dahin und dorthin, zu Nazis,Verschwörungstheoretikern, Esoterikern und harmlosen, unaufmerksamen Netzlebewesen. Gendertröten (Don Alphonso) würden so etwas nie tun. Die müssen immer vor jedem bedenklichen Link sich bekreuzigen - nein, eine Triggerwarnung müssen sie aussprechen, damit Links nicht Diskriminierungserfahrungen triggern. Von der Unart anderer Blogger auf Links zu anrüchigen Seiten zu verzichten, halte ich nicht viel. Ich halte es sogar für notwendig, meine Leser ohne Vorwarnung auf schräge Seiten zu leiten. Er soll wissen, wovon ich rede. Er soll wissen, daß diese anrüchigen Seiten tatsächlich existieren (So. Jetzt ist gut mit der Linkerei!), damit er nicht den Eindruck bekommt, ich würde Geschichten über sie zusammenschnurren. Zitate sind empirische Befunde, also Belege, Indizien, Beweisstücke. Es wäre wissenschaftlich unseriös, Behauptungen und Anschuldigungen vorzubringen, ohne sie empirisch zu validieren. Der Leser soll sich mit meinem Gegenstand beschäftigen. Ich möchte ihn nicht über diesen Gegenstand belehren. Das könnte ich ja auch überhaupt nicht. Ausdrücklich empfehle ich meinen Lesern die Lektüre auch der schrägsten Quellen und dessen Kontext. Nur, wenn man den Kontext, etwa einen ideologischen und historischen Kontext, einbezieht, kann man nämlich verstehen, warum Zinskritik für antisemitisch gehalten wird. Ein einzelner falscher Gedanke macht nämlich noch keinen Antisemitismus. Fehler unterlaufen jedem. Ich selbst habe auch schon ein Blogpost wegen inhaltlicher Fehler zurückgezogen. Der Antisemitismus begleitet die Zinskritik. Der Antisemitismus folgt nicht aus ihr. Herleiten kann man den Antisemitismus nämlich mit Hilfe der Zinskritik nicht. Man kann überhaupt kein Ressentiment logisch-rational folgern. Der Vorwurf an die Zinskritiker, sie seien Antisemiten, überzeugt diese deshalb nicht, und kann von ihnen daher nur als Verleumdung angesehen werden, wenn sie sich auf die innere Logik der Zinskritik beschränken und den Kontext unterschlagen. Doch dazu später mehr. Jetzt werfe ich Pingbacks.

Das Google-Ranking wird durch meine Linkerei wahrscheinlich auch nicht beeinflußt. Google dürfte meinen Blog wohl als Spamblog klassifizieren, weil dieser Blogpost so unglaublich viele Links enthält, das für einen verfilmten Artikel mit dem Namen: "Gib mir die Welt plus fünf Prozent!" wirbt. Das führt wahrscheinlich zur Herabsetzung des Rankings.

Bei diesem Artikel muß man sehr gut argumentieren können, wenn man seinen Autor vor dem Vorwurf in Schutz nehmen möchte, Verschwörungshysteriker zu sein. Wir beschäftigen uns auch noch mit einem Aufsatz von Florian Hauschild, der sich aufrichtig bemüht, diesen Vorwurf zurückzuweisen, den ich aber nicht in dieser Weise für seine Person erheben würde. Ich könnte einen ganzen Haufen Leute anführen, die ähnlich wie er denken. Das Internet ist voll von Zinskritik. Alle bieten dieselben falschen Argumente. Daher belasse ich es im wesentlich bei diesem einen Blogger.

Jetzt fangen wir aber endlich an:

Die Fabel

"Gib mir die Welt plus fünf Prozent!" ist ein Märchen. Märchen nehmen es gewöhnlich mit der Wahrheit nicht ganz so genau. Zum Beispiel behauptet diese Geschichte, daß vor langer Zeit es eine tausendundeine Seele zählende Stadt gegeben haben soll, in der die Menschen friedlich und vergnügt ihren Geschäften nachgingen, ohne Geld dafür zu benutzen. Dann soll ein Goldschmied das Böse in die Welt gebracht haben, indem er das Geld erfand. Gold sollte als Tauschmittel dienen. Natürlich ist Gold an und für sich zu nichts nütze. Deshalb besitzen nur Goldschmiede dieses Metall. Bevor die Bürger dieser Stadt ihre Geschäfte fortsetzen können, müssen die Bürger sich aber nun das Gold zunächst erst beschaffen. Dieser Goldschmied verbot es aber, das Gold sich auf die bergmännische Art zu beschaffen. Die einzig zugelassene Art der Geldbeschaffung war die Geldleihe. Die Bürger mußten sich also das Geld fortan leihen, und zwar zu einem Zinssatz von fünf Prozent. Der Goldschmied lieh also jedem seiner eintausend Mitbürger 100 Golddukaten zu je fünf Prozent. Insgesamt hat er also 100000 Golddukaten ausgeliehen, die er in einem Jahr wiederhaben möchte, und dazu noch 5000 Golddukaten Zinsen; das sind fünf Prozent von 100000 Golddukaten. Diese 5000 Golddukaten haben nie existiert. Deshalb sind die eintausend Bürger schnell überschuldet, und zum Teil pleite. Da kommt es zu sozialen Kämpfen, die nur eingedämmt werden können, nachdem Schutzrechte für Arbeitnehmer beschlossen wurden, und der Sozialstaat geschaffen wurde. Dementsprechend wuchs die Bureaukratie. Die fünf Prozent, und der Urheber der fünf Prozent gerieten dabei aus dem Blick der Öffentlichkeit.

Die heimliche Macht des Goldschmiedes wuchs mit seinem Wohlstand. Und er erfand noch mehr Schweinereien. Er praktizierte fractional reserve banking. Er schuf auch die Zentralbank und die Freimaurerei. Andere Goldschmiede haben nämlich einfach das Geschäftsmodell kopiert, sich später zusammengeschlossen, und sich zu größter Verschwiegenheit verpflichtet, damit die Menschheit nicht hinter das große Geheimnis kommt, daß sie längst von der heimlichen Elite der Freimaurer mit Hilfe von fünf Prozent Zinsen geknechtet wird.

Zwar nehmen Märchen es mit der Wahrheit nicht so genau. Jedes Märchen enthält aber eine Moral. Märchen werden erzählt, damit sich die Menschen bessern. Das Gute siege über das Böse, heißt es in jedem Märchen. Auch, wenn es zunächst gar nicht so danach aussieht. Schlußendlich siegt das Gute aber dann doch über das Böse. Diese tröstliche Weisheit wird sehr ernst genommen. Überzeugungssysteme überzeugen sehr viel lieber mit dieser Weisheit als mit Logik und Empirie. Märchen werden erzählt, damit sich die Menschen bessern, indem sie sich mit dem Guten identifizieren und das Böse hassen. Eines Tages wird das geknechtet Volk aufstehen, und die Logen der Freimaurer zerschlagen, und ihre Zinsknechtschaft beenden. Brecht die Zinsknechtschaft! Wir sind die neunundneunzig Prozent! Eine bessere Welt ist möglich!

Eine Welt mit Zins ist möglich.

Die Logik in dieser Geschichte ist bestechend - aber falsch. Bevor ich fortfahre, schlage ich zuerst diese Logik nieder. Meine weiteren Ausführungen hätten sonst keinen Sinn.

Niemand bestreitet Krisen beim kapitalistischen Wirtschaften. Nur die Begründung hierfür ist nicht der Zins. Ich stelle jetzt einmal dar, wie es möglich ist, die Kredite des Goldschmied zu bedienen, ohne daß 5000 Golddukaten hierfür geschaffen werden müßten: Der Goldschmied zieht in unserer Geschichte nach einem Jahr den gesamten Kredit auf einmal zurück. Warum sollte der Goldschmied das tun? Das ist doch an den Haaren herbeigezogen! Das wäre doch ein Verlustgeschäft! Bei den bankrotten Bürgern ist nichts mehr zu holen, und an diejenigen, die finanziell aus dem Schneider sind, kann der Goldschmied nicht den Anspruch stellen, seine Golddukaten über die fünf Prozent hinaus wiederzubekommen. Der Goldschmied würde also nicht einmal seine 100000 Golddukaten wiederbekommen. Natürlich muß ein solcher Wahnsinn in die Krise führen, wenn der gesamte Kredit auf einmal zurückgezogen wird!

Konstruieren wir die Geschichte doch einmal anders: Der Goldschmied zieht seinen Kredit nicht nach einem Jahr vollständig zurück, sondern kassiert nur die Zinsen. Er versucht also nicht, nach einem Jahr an seine 105000 Golddukaten zu kommen, die es gar nicht gibt, sondern begnügt sich mit den 5000 Golddukaten Zinsen. Das übrige Stadtbürgertum besitzt jetzt noch 95000 Golddukaten, und deren Schuld gegenüber dem Goldschmied beträgt genau wie im Jahr zuvor 100000 Golddukaten. Das Stadtbürgertum besaß im Jahr aber noch 100000 Golddukaten und nicht nur 95000 Golddukaten. Doch auch der Goldschmied hat Bedürfnisse. Von einem Teil der eben erwirtschafteten Golddukaten macht er sich ein schönes Leben und vom anderen Teil zieht er selbst Unternehmen hoch oder beteiligt sich an anderen. Er investiert also. Das Stadtbürgertum verdient dabei die 5000 Golddukaten, die der Goldschmied hierbei ausgegeben und zuvor an Zinsen verdient hat. Nach einem weiteren Jahr besitzt das Stadtbürgertum wiederum 100000 Golddukaten wie im Jahr zuvor. Dann sind wieder 5000 Golddukaten Zinsen fällig. Und das Stadtbürgertum besitzt wiederum nur 95000 Golddukaten und nicht mehr 100000 Golddukaten. Und so wiederholt sich das in jedem Jahr. Das Geld läuft hier ständig im Kreis herum. Die Zinsen werden immer und immer wieder mit demselben Geld bezahlt. Es muß also nicht mehr werden. Nach über 20 Jahren hat das Stadtbürgertum mehr als die 100000 Golddukaten, die es überhaupt gibt, an Zinsen bezahlt. In 100 Jahren wurde schon das Fünffache der existierenden Goldmenge an Zinsen bezahlt.

Ist das nicht faszinierend, wie es der Amazonas schafft, nach 1000 Jahren mehr Wasser in das Meer zu schaffen, als auf unserem Planeten vorhanden ist? Woher kommt all das Wasser, das der Amazonas beständig in das Meer kippt? Ich staune, daß eine Lichtschranke sechs mal vier gleich vierundzwanzig Läuferinnen zählt, wenn sechs Läuferinnen viermal die Stadionrunde laufen? Das könne doch gar nicht sein, daß die Lichtschranke 24 Läuferinnen gezählt habe, wenn nur sechs vorhanden sind. Da müssen doch 18 Läuferinnen dazugekommen sein! Dann würde die Lichtschranke aber 24 mal vier gleich 96 Läuferinnen zählen; etc.! Da seht ihr, die Zahl der Läuferinnen steigt exponentiell. Habt ihr gehört? Exponentiell! Das kann doch schon aus mathematischen Gründen nur schief gehen! Na gut. Ich erspare Euch jetzt die Darstellung, wie stark das Wachstum einer Exponentialfunktion unterschätzt wird. Das könnt ihr im Internet genau so oft finden wie Empfehlungen zum Film "Gib mir die Welt plus fünf Prozent!"

Ja aber! Die Schuld wird doch überhaupt nicht getilgt! Nichts leichter als das! Dann bezahlt das Stadtbürgertum eben nicht jedes Jahr 5000 Golddukaten sondern 6000 Golddukaten, behält nicht 95000 Golddukaten sondern nur 94000 Golddukaten jedes Jahr, verdient aber während des folgenden Jahres aber genau dieselben 6000 Golddukaten, die das Stadtbürgertum an den Goldschmied als Zinsen bezahlt. Dann verringert sich die Schuld; erst langsam, dann immer schneller. Schließlich ist die Schuld abgezahlt. Und die 100000 Golddukaten gibt es immer noch, und sind nicht im "Zinsloch" verschwunden, wie Zinskritiker behaupten, die meinen, Geld verschwände, sobald die Schuld getilgt wäre, die bei der Entstehung dieses Geldes entstanden ist. Leser, die die Stirn aufbringen, können diesen Fall mathematisch genau explicieren. Das wäre aber nicht mehr so anschaulich. Daher verzichte ich auf die Darstellung.

Ja aber! Der Goldschmied kann doch nicht jedes Jahr 5000 Golddukaten auf den Kopf hauen. Doch! Warum sollte der Goldschmied denn einige seiner Golddukaten unter das Kopfkissen stecken, wo es keine Zinsen bringt, anstatt die zu investieren?

Ja aber! Siehst Du denn nicht, daß rings um Dich alles unter der Schuldenlast zusammensinkt? Banken, Staaten, Privathaushalte und Unternehmen? Hierzu Florian Hauschild:
Nun endet die so genannte „Eurokrise“ natürlich nicht, und – oh Wunder – weltweit geraten immer mehr Staatshaushalte an den Rand der Überschuldung. Wer hätte das gedacht, in einem Geldsystem, in dem mathematisch bedingt Geldmengen und somit Schuldenstände exponentiell steigen müssen?
oder er hier:
Wie anders ist es zu erklären, dass die Schere zwischen arm und reich immer weiter aufgeht und immer mehr Leute immer weniger haben während auf der anderen Seite die wenigen Reichen immer reicher werden
Darauf weiß jemand anderer die richtige Antwort:
Wenn alle Daten gegen die Existenz des Weihnachtsmanns sprechen, kann man ja auch nicht einwenden: „Das geht doch nicht; wer soll denn dann die Geschenke bringen?“
Ich verlasse mich auf die Daten von Herrn Dr. Jahnke. Mit anderen Worten: Die von den Zinskritikern behaupteten Erscheinungen lassen sich auch nicht empirisch belegen.

Das "raffende" und das "schaffende" Kapital

Florian Hauschild beklagt sich über mich:
Der Knaller gleich zuerst: Geldsystemkritik, fälschlicherweise dann als „Zinskritik“ bezeichnet, sei „strukturell antisemitisch“, denn man wolle ja eigentlich zwischen „schaffendem“ und „raffendem“ Kapital unterscheiden und den Geldbesitzern unterstellen, sie würden – eventuell gar in einer großen Verschwörung – den Rest der Menschheit planmäßig ausbeuten.
Nein. Florian Hauschild verwendet diese Vokabeln "raffendes" und "schaffendes" Kapital nicht einmal. Das wäre ja auch strukturell antisemitisch. Er betreibt aufgeklärte Geldsystemanalyse. Da heißt "raffen" Enteignungssystem von Arbeitskraft und physischen Werten. Das klingt vornehmer. Andere sprechen von Blutsaugern. Das aber wäre nicht mehr aufgeklärte Geldsystemanalyse. Das geht hin bis zu (Zitat): leistungsloser Zinsgier, die den Leistungserbringern aus der realen Wertschöpfung (Produkte und Leistungen) ihre Leistung vorenthält, unübersehbare Gier und Abzockermentalität, kriminelle Abzocker und Gierige, leistungsloses Einkommen und irrwitzige Spekulationen mit so vielen Toten.

Ich weiß, Florian Hauschild würde derartige Vokabeln nie verwenden. Er drückt sich nicht nur gewählter aus, sondern vermeidet konsequent das Wort "Leistung". Diese Vokabel klingt nicht ohne Grund neoliberal. Mohamed Bouazizi, der Held aus Tunesien, löste mit seiner Verzweiflungstat eine weltweite Protestwelle aus. Die ganze Welt begehrt gegen den Irrsinn des Kapitalismus auf, der unter anderem darin besteht, arbeiten zu müssen, um leben zu können, aber nicht arbeiten zu dürfen. Sie begehren auf, weil die neoliberal ausgerichtete Meinung diese Erfahrung von Millionen Menschen aus dem Orient wie auch aus dem Occident beharrlich ignoriert, und unerschütterlich darauf besteht, daß die Krisen in der entgegengesetzten Erscheinung gesehen werden müssen, daß Menschen nicht arbeiten wollten, weil sie nicht arbeiten müßten. Neoliberale behaupten nämlich, Menschen kämen im Kapitalismus genau zu dem Wohlstand, den sie verdient hätten. Im Kapitalismus seien die Verhältnisse daher grundsätzlich gerecht eingerichtet. Arme Leute wären nach deren Überzeugung an ihrer Armut selbst schuld. Ihnen fehle es eben einfach am "Leistungswillen". So steht es auch schon in der Heiligen Schrift:
Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen.
Diese kapitalistische Leistungsideologie begründet einen moralischen Anspruch, den "die ein Prozent da oben" an die übrigen 99 Prozent der Gesellschaft stellen. Vernünftigerweise sollte man natürlich genau gegen diesen moralischen Anspruch an die 99% protestieren. Zinskritiker haben diesen Anspruch jedoch verinnerlicht. Zinskritiker argumentieren im Kern nämlich überhaupt nicht rational, wie es zunächst scheint, sondern moralisch:
Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen.
Niemand soll davon leben können, einmal im Jahr einen Coupon abzuschneiden. Genau das bedeutet es, Zinsen als "leistungsloses Einkommen" anzusehen. Darin erschöpft sich dann auch die "Systemkritik" dieser Zinskritiker. Naja, und wer den Grundsatz
Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen.
für das einzig relevante Kriterium hält, die Zustände in einer Gesellschaft zu bewerten, wer diesem unter den gegebenen kapitalistischen Umständen vollkommen irrsinnigen und weltfremden religiösen Dogma schon derart verfallen ist, daß er die Wirklichkeit der 99% nicht mehr wahrnehmen kann, der glaubt dann auch, daß Zustände, unter denen Mohamed Bouazizi zu leiden hatte, erst einrissen, als der Zins in die Welt getreten ist, um die Menschen auszurauben. Man lese das in der Geschichte "Gib mir die Welt plus fünf Prozent!" nach, in der soziale Kämpfe erst dann auftreten, wenn der Zins sein böses Werk tut! Der Zinskritiker hält folgerichtig dann auch den Sozialstaat und Steuern und überhaupt den Staat für entbehrlich, wenn der Zins erst einmal abgeschafft wurde. Der hat auch keine Ahnung, daß der Sozialstaat geschaffen wurde, um Arbeiter und Angestellte vor der von Zinskritikern angebeteten Freiheit des "schaffenden" Kapitals, oder abwertender: der Willkür von Unternehmern zu schützen, die aus den wirtschaftlichen Interessen eines Unternehmers heraus ihre Beschäftigten so kurz wie möglich halten und soviel Nutzen wie möglich aus ihnen herauspressen. Gewöhnliches kapitalistisches Wirtschaften, das auf der Grundlage ausschließlich "schaffenden Kapitals" beruht, hat nämlich für Zinskritiker keine negativen sozialen Folgen, die man mit Hilfe staatlicher Bürokratie mildern müßte.

Niemand soll glauben, Zinskritik ginge ihm nichts an, geben Zinskritiker zu verstehen! Der Zins und der Zinseszins lauert überall, auch da, wo der gewöhnliche Bürger ihn nicht vermutet (Zitat):
Kaufe ich dann dieses Produkt, dann zahle ich Zinsen, ohne Schulden zu haben und weiß es nicht einmal.
Das verviqte Geldsystem geht also alle an! Um wieviel Zinsen es genau geht, streiten sich die gelehrten Blogger. Er meint:
Übersehen bzw. schamhaft verschwiegen wird auch, dass der Zinsanteil heutzutage in jedem PRODUKT bereits zwischen 40 % und 50 % liegt.
Ein anderer meint:
Diese neuen Schulden erfordern mehr und mehr Zinsen, die wieder bei den Brötchen landen. Es gibt Schätzungen, wie hoch der Zinsanteil bei einem solchen Brötchen heute ist – sie beginnen bei 25%.
Wer bis jetzt gut achtgab, der fragt sich nun, was denn mit den übrigen 50, 60 oder 75 Prozent ist. Die machen genauso arm wie die 50, 40 oder 25 Prozent, die Zinsen darstellen. Auch hier strebt das Interesse des freien Unternehmer, dessen Interesse nach höheren Preise verlangt, in die entgegengesetzte Richtung des gemeinen Angestellten, der niedrige Preise wünscht. Aber der Zinskritiker kümmert sich nicht darum. Er möchte nur, daß Preise seinen moralischen Ansprüchen genügen. Preise, die neben all den übrigen Kosten auch Zinsen enthalten, hält er für unehrenhaft. Das ist sein ganzes Problem mit den Preisen.

Eine kapitalistische Welt ohne Zins ist unmöglich.

Florian Hauschild wieder:
Unterstellung falscher Aussagen, zum Beispiel: „Ohne Geld geht es nun mal nicht“, „Das Wesen des Geldes wurde nicht vollständig erfasst“, „Man kann den Zins nun mal nicht abschaffen“, „Das ist nicht realistisch“, etc.
Jawohl! Eine kapitalistische Welt ohne Zins geht nicht. Man kann den Zins nicht abschaffen. Der ist nämlich Teil des kapitalistischen Gewinns. Und dieser Teil ist nicht parasitärer als der andere, der aus "schaffendem" Kapital gewonnene. Ich verweise auf meinen eigenen Aufsatz. In diesem Aufsatz habe ich zwei Leute vorgestellt, die gemeinsam ein Unternehmen gründen. Das Unternehmen konnte nach einem Jahr schon 100 Pfund Stirling an Gewinn ausschütten. Jeder der Unternehmensgründer bekommt 50 Pfund Stirling. Und jetzt kommen die Zinskritiker daher, und meinen, der eine Geschäftsmann "raffe" und der andere "schaffe". Es wird noch absurder: Das gesamte Kapital dieser Firma sei "raffendes" Kapital. Und weil das gesamte Kapital von dem einen, dem "raffenden" Geschäftsmann stammt, werden alle Schweinereien, die in dieser Firma die Angestellten betreffen, ihm allein angelastet, obwohl er nicht den geringsten Einfluß auf die Politik in dieser Firma besitzt, und im Gegensatz zum anderen, dem "schaffenden" Geschäftsmann kein unmittelbares wirtschaftliches Interesse hat, die Angestellten zu schikanieren. Der "raffende" Geschäftsmann kann nämlich über die jährlichen Einnahmen von 50 Pfund Stirling hinaus keine Ansprüche stellen. Sein Interesse geht daher dahin, daß die Firma sicher um die Runden kommt, damit sie ihm die 50 Pfund Stirling jedes Jahr auszahlen kann. Der andere, der "schaffende" Geschäftsmann muß sich dagegen nicht mit den 50 Pfund Stirling jedes Jahr begnügen. Die Firma ist nämlich sein Eigentum, fremdfinanziertes zwar, aber sie gehört ihm ganz allein. Und er ist freier Unternehmer; d.h. er herrscht in seiner Firma unumschränkt und diktatorisch. Wenn er es richtig anstellt, dann kann er im zweiten Jahr schon 150 Pfund Stirling verdienen. Vielleicht kann er im übernächsten Jahr schon 600 und im Jahr darauf schon 5000 Pfund verdienen, wenn er vielleicht schon ein Marktführer geworden ist. Die 50 Pfund des "raffenden" Geschäftsmannes sind dann nur noch ein Fliegenschiß. Dieser "raffende" Geschäftsmann sorgt sich jetzt nur noch darum, daß der andere, der "schaffende" Geschäftsmann keine dummen Sachen macht, und seine Firma in den Bankrott maneuvriert, denn auch Marktführer können pleite gehen, und auch der "raffende" Geschäftsmann wird durch den Bankrott wirtschaftlich geschädigt. Ganz so risikolos, wie sich Zinskritiker das dreckige Handwerk (Georg Schramm) des Geldverleihens vorstellen, ist es nämlich nicht.

Wir können also sagen, daß "raffende" Kapitalisten ein stärkeres Interesse an Sicherheit haben als "schaffende", denn "raffende" Kapitalisten sind von Gewinnchancen ausgeschlossen, tragen aber trotzdem ein Risiko. "Schaffende" Kapitalisten, d.h. Eigentümer werden nach gewöhnlicher betriebswirtschaftlicher Logik alles daran setzen, die Kostenseite für ihn günstiger zu gestalten. Das spüren die Angestellten, denn sie sind ein Kostenfaktor.

Zinsen sind nichts als ganz gewöhnlicher kapitalistischer Gewinn, gegen den Zinskritiker im Grundsatz nichts haben, wenn der nur aus "schaffendem" Kapital stammt. Es gibt nicht mehrere verschiedene Sorten von Gewinn und Kapital. Es gibt nur den einen und einzigen Gewinn, den ein Unternehmen abwerfen kann oder nicht. Ein Kredit ist dann nichts anderes als ein Vertrag, der festlegt, wie dieser eine und einzige Gewinn unter mehreren Anspruchsberechtigten aufzuteilen sei, und wer für welche Risiken haftet, und wer das Geschäft des Unternehmens anführt. Mehr nicht. Diese Fragen müßten einem bei der Occupy-Bewegung mitmachenden Angestellten oder Arbeitslosen herzhaft gleichgültig sein, denn geschädigt wird er nicht von diesem Vertrag sondern von der betriebswirtschaftlichen Logik, auf dessen Grundlage kapitalistische Unternehmen betrieben werden, ganz gleich, was die von diesem Unternehmen profitierenden Kapitalisten unter sich ausgemacht haben. Es ist also närrisch, eine Welt ohne Zins anzustreben, da der Zins am Zustandekommen der Mißstände, gegen die Systemkritiker sich in der Occupy-Bewegung engagieren, keine größere Rolle spielt als andere Formen kapitalistischen Gewinns.

Wachstumszwang

Meinen eigenen Aufsatz habe ich schon angeführt. Die in diesem Aufsatz geschilderte Geschichte geht glücklich aus. Der Kredit wird vollständig getilgt. Läuft das Unternehmen aber schlecht, dann benötigt es weitere Kredite, um den alten abzuzahlen. Das kann zu einer Zinseszinslawine führen, die dann zum Bankrott führt. Zinskritiker pflegen, diesen Fall für den Normalfall zu halten, und reden beständig vom Wachstumszwang, dem sie wegen dieses Zinseszinses ausgesetzt wären. Den gibt es aber nur, wenn das betreffende Unternehmen bankrott ist. In allen übrigen Unternehmen bedeuten Zinsen nicht mehr als ein Kostenfaktor und Kredite werden vollständig aus den Erträgen, die das Unternehmen abwirft, bedient und nicht mit Hilfe neuer Kredite. Diese Zinsen sind den Unternehmen nicht aufgezwungen worden. Unternehmen gehen Verbindlichkeiten ein, um zu wachsen, nicht umgekehrt. Die Geldverleiher passen dabei genau auf, daß es zu dieser Zinseszinslawine nicht kommt. Unternehmen, denen Zinseszinslawinen drohen, bekommen nämlich keinen Kredit. Das habe ich in meinem schon angeführten Aufsatz auch schon ausgeführt, als ich erklärt habe, warum die Moral aus der Geschichte des Josephspfennig irreführend ist und warum man mit Zinseszinsen nicht zu dem Reichtum gelangen kann, über den sich Zinskritiker beklagen. Ein Wachstumszwang ergibt sich aus anderen Bedingungen. Etwa, weil man den Markt dominieren möchte, Marktanteile gewinnen möchte und dergleichen.

Und auch die debitistische Zinseszinslawine ist eine verkehrte Theorie, wie ich hier schon ausgeführt habe.

Marktwirtschaft und Kapitalismus

Es gibt Zinskritiker, die ihre Verschleierungstaktik aufgegeben haben. Sie haben sich redlich bemüht, allen Ansprüchen ihrer Gegner entgegenzukommen. Sie haben die Unterscheidung zwischen "raffendem" und "schaffendem" Kapital mit Hilfe von Synonymen verschleiert, und taten noch mehr, um dem Vorwurf zu entgehen, sie seien antisemitisch. Nun denn, man muß wissen, wann die Mittel der Diplomatie ausgeschöpft sind, und wann die Zeit des Krieges gekommen ist. Und wenn man keine diplomatischen Rücksichten mehr nehmen muß, kann man auch wieder deutlicher werden, und ein "Enteignungssystem für Arbeitskraft und physische Werte" "raffendes" Kapital nennen.

Etwas anderes interessiert mich am zitierten Aufsatz: Diese merkwürdige Unterscheidung zwischen Marktwirtschaft und Kapitalismus. Für mich bezeichnen beide Begriffe dasselbe. Für Zinskritiker hingegen gibt es fundamentale Unterschiede zwischen ihnen. Kapitalismus heißt der derzeitige Zustand, und der ist scheiße, und macht dem Zinskritiker das Leben schwer: eine Welt mit Zins und allen daraus folgenden Problemen: einer heimlichen faschistischen Diktatur von Bänkstern oder noch schlimmerem, etwa einer Freimaurerloge, einer Welt mit totalitärem Sozialstaat und Unfreiheit, Schulden, Elend. Marktwirtschaft hingegen ist eine Utopie, die der Zinskritiker anstrebt: eine Welt mit Schwundgeld und Freiland statt Zins und Zinseszins. Natürlich kämpft der Zinskritiker gegen den Kapitalismus. Deshalb hält er sich für antikapitalistisch und macht bei diversen sozialen Bewegungen mit, kämpft gegen Umweltzerstörung, engagiert sich in sozialen Projekten und macht auch bei Occupy mit. Mit Perfidie hat das im Grunde wenig zu tun. Zu so etwas sind Leute fähig, die, wie wir gesehen haben, den moralischen Ansprüchen ihres Gesellschaftssystems verfallen sind und sich mit dem System identifizieren, das sie Marktwirtschaft oder soziale Marktwirtschaft nennen, auf der anderen Seite von genau demselben System geschädigt werden, das sie dann Kapitalismus nennen, und das sie unter diesem Namen dann bekämpfen.

Das ist verrückt; schizophren! Und zugleich tragisch. In diesem Sinne passen die Zinskritiker sogar ganz gut zur Occupy-Bewegung. Ihre Doktrinen von Offenheit, Pluralität, der Bequemlichkeit zum theoretischen Denken, wie man etwa bei Florian Hauschild nachlesen kann:
Die „kritische“ Variante des Vorwurfs: Bei der Geldsystemkritik (auch dann gerne wieder als „Zinskritik“ umgedeutet) handele es sich um eine „Verkürzte Kapitalismuskritik“. Einfach ausgedrückt: „Du dachtest zwar, du hast es verstanden, aber eigentlich bist du zu doof dafür; musst erst 10 Jahre lang Marx gelesen haben – die gesammelten Schriften versteht sich – und ohnehin ist Kapitalismus ja so schrecklich komplex, dass es keine einfachen Antworten geben kann.“
macht es dem gesunden Menschenverstand sehr schwer. Gesunder Menschenverstand ist nämlich nicht offen für Unsinn, Esoterik, Faulheit und Ressentiment. Wer die Gesellschaft verändern möchte, muß die Mechanismen in ihr verstehen, und der muß seine eigenen Interessen bestimmen können. Das ist keine leichte Aufgabe. Wer Flugzeuge bauen will, muß sich auch in Aerodynamik auskennen. Der kann der Sekte "Transzendentale Meditation" nicht denselben Stellenwert einräumen, wie der Aerodynamik, nur weil es dieser Sekte um das Fliegen, um das "yogische Fliegen" geht. Um Wissenschaft kommt man nicht herum. Gesunder Menschenverstand ist nicht pluralistisch. Alle wissenschaftliche Diskussion läuft einer Übereinkunft zu, einer Auffassung, die theoretisch logisch-konsistent und praktisch-empirisch evident zu sein hat. Der in der Occupy-Bewegung falsch verstandene Pluralismus, die Weigerung, sich auf irgendetwas festlegen zu wollen, ist praktizierte Vernunftfeindlichkeit und Ablehnung jeder Art wirksamer Gesellschaftskritik, denn wirksam ist Gesellschaftskritik nur dann, wenn sie vernünftig ist. Ein Haufen, der derartigen Pluralismus praktiziert, kann sich allerhöchstens auf gemeinsame Feinde einigen. Ein derartiger Haufen ist gefundenes Fressen für Querfrontstrategien. Man kann damit rechnen, daß der antisemitische Kontext der Zinskritik hervortritt.

Antisemitismus

Da gibt es einen von vielen Leuten, auch von Florian Hauschild, hochverehrten Kabarettisten.

Georg Schramm ist wohl Teil der grünen Bewegung, einer sowieso technik- und wissenschaftsfeindlichen Bewegung, einer Bewegung, die von Anthroposophen, Mystikern und sonstigen Feinden der Vernunft nur so wimmelt. Selbstverständlich fühlte sich Georg Schramm sehr geehrt, als er auf den Protesten gegen das Stuttgarter S21-Bahnhofsprojekt auftreten durfte. Und die Protestierenden fühlten sich genauso geehrt, daß er ihre Einladung angenommen hat. Hören wir uns einmal an, was dieser Georg Schramm von sich gibt:
Das Volk würde [...] liebend gern die Banken wieder zu dem Ansehen verhelfen, das sie einmal hatten, als man sie noch Geldverleiher nannte, als sie einem dreckigen Handwerk nachgingen, das ein ehrbarer Christ gar nicht ausüben wollte, als die Ackermänner und Nonnenmacher des Landes bei Hofe den Dienstboteneingang nehmen mußten statt als Fußvolk an der Tafel zu sitzen. Mit an der Herrschaftstafel dürfen Geldverleiher erst sitzen, seit sie Kaisern und Königen den Wahlkampf finanziert und dafür das Monopol auf Silbertaler forderten - und auch bekommen haben.
Oh! Mein Gott! Was redet der da? Da sieht man, wie der Haufen irrt, wenn man ihm einen Feind vorsetzt. Die S21-Gegner tragen natürlich nicht allein die Verantwortung für diese Entgleisung. Die Medien beschränken sich bei der Krisenberichtserstattung in der Regel nur auf die Banken- und Verschuldungskrise, die nur ein kleinen Teil der Weltwirtschaftskrise ausmacht. Wie mit einem Spotstrahler ausgeleuchtet, stehen die Ackermänner und Nonnenmacher im grellen Licht der öffentlichen Wahrnehmung. Ackermann und Nonnenmacher verhielten sich fehlerhaft. Aber sie stehen nicht in ihrer Eigenschaft als Bänkster sondern wegen gewisser Verfehlungen in der öffentlichen Kritik. Auf der anderen Seite fällt rings um das Kreditgewerbe herum scharfer Schatten. Dieser Schatten verbirgt viel Wesentliches.

Florian Hauschild und seine Spießgesellen beklagen sich gern, daß der Vorwurf des Antisemitismus zu leichtfertig fällt:
Eine gnadenlose Ignoranz in dieser Sache beweist auch immer wieder die so genannte „Linke“. Besonders Vertreter des linksextremen, pseudolinken und antideutschen Milieus werden nicht müde eine Verbindung zwischen Geldsystemkritik und „strukturellem Antisemitismus“ zu konstruieren.
Das ist nicht ganz falsch. Die Gruppe der Antideutschen und andere zionistische Gruppen sollte man aber unter keinen Umständen ernst nehmen. Kennt ihr diese junge Dame? Hier kann man nachlesen, daß diese Dame in einer Fernsehcastingshow zur "inoffiziellen Botschafterin Israels" gewählt wurde. Sie und recht viele Zionisten stehen einer bekannten Moslemhasser-Plattform recht nahe, von der immer behauptet wird, ihr demonstrativ vor sich hergetragener Philosemitismus verberge einen heimlichen Antisemitismus. Sie veröffentlichte sogar einen Artikel auf ihr. Das ist schräg und nicht ernstzunehmen. Und auch bei manchen Linken kann ich den Eindruck nicht verscheuchen, ihnen ginge es nur darum, dem Wachsoldaten die richtige Parole vorzutragen, damit man in das Lager dieser Linken aufgenommen werden kann. Aber, lieber Herr Hauschild, es ist doch durchaus nicht so, daß ich meinen Spinat nicht essen möchte. Der riecht nur manchmal wie bei Georg Schramms Auftritt nach fauligem Fisch. An so etwas kann man sich böse vergiften. Jedermann weiß doch, oder sollte doch wissen, von welchen Menschen hier Georg Schramm spricht, wer im Mittelalter Geldverleiher genannt wurde, und darüber hinaus verachtet wurde. An dieser Stelle muß man Georg Schramm zumindestens Unempfindlichkeit bescheinigen. An Ahnungslosigkeit glaube ich nicht, denn seine Ausfälle werden noch wilder und verstörender:
Es trifft sich übrigens ganz gut, daß jetzt bei uns die Tafeln auch für das einfache Volk gibt. [...] Explosionsartig haben sie sich vermehrt, überall, 800 Tafeln, auf denen täglich gedeckt wird mit den Essensresten, die die Herrschaften nicht mehr in den Hals kriegen. Und der jeweilige Bundespräsident lobt alljährlich die Leute, die die Tafeln veranstalten, weil sie die wachsende Zahl der armen Schlucker in diesem Land als Resteverwerter organisieren, als wichtige Arbeit.

Wäre die Kanzlerin tatsächlich opportunistisch gegenüber ihrem eigenen Volk, dann verlöre sie die Gunst der Geldverleiher. Dann wäre sie nicht mehr die mächtigste Frau der Welt. Diese Wahl zur mächtigsten Frau der Welt ist die reinste Farce. Frau Merkel ist nicht einmal die mächtigste Frau im eigenen Land. Da sind Liz Mohn und Friede Springer, Bertelsmann [...], die lautstarken Herolde eines maroden Systems, das weltweit an den Fäden der Geldverleiher zappelt. Das ist die Realität. Eine Handbewegung von Friede Springer würde genügen, und ihre Lohnschreiber holen die Kanzlerin vom Thron und werfen sie ihren eigenen Parteigenossen zum Fraß vor. Die wahrhaft Mächtigen, die sind gewiß, daß sie die Gunst des Volkes schon verloren haben. Das macht die Kanzlerin so wertvoll. Solange sie die Gunst des Volkes hat, hat sie die Gunst der Macht. Das nennt man in der Biologie eine Symbiose. Aber wenn das zu Lasten des Wirtstieres geht, dann nennt man das eine parasitäre Symbiose. Und das Wirtstier, das sind wir, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Soso, die Welt wird also von einer kleinen mächtigen, aus dem Hinterhalt regierenden Gesellschaft ausgeplündert und tyrannisiert. Man muß jetzt sehr geschickt argumentieren, um Georg Schramm vor dem Vorwurf in Schutz zu nehmen, er sei Verschwörungshistoriker - ach nein: -hysteriker. Ich bemerke, daß jetzt auch noch die Medien ins Spiel gebracht werden. Die Springer-Presse ist wirklich schlimm. Aber, daß diese heimlich von Geldverleihern gesteuert sei, hört man gewöhnlich nur aus anrüchigen Kreisen.

Den Auftritt bei den S21-Gegnern hat Georg Schramm erfolgreich über die Bühne gebracht. Auch die Occupy-Bewegung hält große Stücke auf ihn und hat Georg Schramm eingeladen. Beiden, Georg Schramm und seinem Publikum ist es wieder ein Ehre, daß sie seinen Auftritt möglich gemacht haben. Diesmal liegt schon ein wenig Pogromstimmung in der Luft. Das nennt sich bei ihm Satire. Direkte Folgen werden Schramms Ausfälle nicht haben; aber das Publikum wird antisemitischen Einstellungen gegenüber noch unempfindlicher werden.

Zur Abwechslung zitieren ich mal einen anderen:
Da ich Ihnen angekündigt wurde als jemand für überraschende Wendungen, möchte ich mit einer überraschenden Wendung beginnen: [...] Wir haben eine Menge Dinge gehört, bei dem wir alle sagen: "Jawohl! Sehr gut! Völlig richtig!" Ich möchte ein Loblied singen - kurz aber nur - ein kurzes Loblied nur - auf die Regentschaft von Angela Merkel in den letzten Monaten. Ja, ich bin für die Überraschung eingeladen worden! Genauer gesagt, als der Politclown zwischen den ernsthaften Beiträgen:

Ich gebe zu bedenken, daß wir es mit einer prinzipienlosen, lupenreinen Opportunistin an der Spitze der deutschen Regierung zu tun haben. Das sollten wir uns zunutze machen. Ich gebe ein praktisches Beispiel: Es hat vor kurzem eine politische Wendung in der Bundesrepublik Deutschland gegeben, die niemand von uns für möglich gehalten hat: Es hat in Baden-Württemberg nach 57 Jahren, in denen das Land im Besitz der CDU war, einen Regierungswechsel zu einem grünen Ministerpräsidenten gegeben. Und zwar nicht zu irgendeinem grünen Ministerpräsidenten sondern zum schimmsten Fall, der für die CDU eintreten konnte: ein katholischer erzkonservativer Grüner aus Siegmaringen. Dieser Ministerpräsident ist eine Katastrophe! - für die Opportunisten innerhalb der CDU in Deutschland - und das ist die Partei, die glaubt, dieses Land zu besitzen - und jedesmal, wenn sie das Land verloren haben, haben sie das für einen Betriebsunfall gehalten. Ich möchte darauf hinweisen, daß es heute viele Leute in der CDU gibt, die sagen: "Wenn Fukushima nicht gewesen wäre, dann wäre die CDU noch an der Macht." Ich fürchte, das stimmt. Nur: Fukushima ist passiert! Und wenn Gott seine Welt liebt, und die Menschen auch, und wenn er ein alttestamentarischer zorniger Gott ist, dann war das timing dieser Katastrophe perfekt!

[...] Diese Kernschmelze hat übrigens dazu geführt, daß jetzt immer wieder gesagt wird, wir müssen ganz vorsichtig sein, damit es im Finanzbereich nicht auch zu einer Kernschmelze kommt. Ich bitte doch sehr! Wenn die Kernschmelze solche Folgen hätte wie in Fukushima: Dann her mit der Kernschmelze! Meine Damen und Herren!
Schramm hält anscheinend viel von Religion. Da wäre sein Glaube an Vorsehung kein Wunder.
Ich habe übrigens den Begriff des zornigen Gottes gewählt, weil es ein Klassiker ist. Die jungen Leute, die hier sind, können das nicht wissen. Die jungen Leute reden von Wut. Das gestehe ich ihnen zu. Was ich den Feuilletons und den Leitartikelschreibern der bürgerlichen Presse nicht zugestehe, ist, daß sie uns immer als Wutbürger titulieren. Da ist nämlich immer ein kleines bißchen Abwertung dabei. Das ist aber falsch! Wir sollten uns selber auch gar nicht als Wutbürger bezeichnen lassen! Wir sollten uns als zornige Bürger bezeichnen, denn die Wut gilt als die kleine unbeherrschte Schwester des Zorns. Und der Zorn ist der Starke. Es hat einen zornigen alttestamentarischen Gott gegeben. Die Wiege der abendländischen Kultur, sagt man, beginnt mit der "Ilias" von Homer. Die "Ilias" von Homer beginnt mit einer Ode an den Zorn! Und Papst Gregor der Große hat im 6. Jahrhundert - ja! es gibt Päpste, die man zitieren kann. Das ist lange her. Das war zu den Zeiten, da die Päpste noch nicht mit der Macht liiert waren und gegen den Zinswucher gepredigt haben. Und Papst Gregor hat damals gesagt: "Vernunft kann sich mit größerer Wucht dem Bösen entgegenstellen, wenn der Zorn ihr dienstbar zur Hand geht!" So mögen wir alle den Zorn loben, und deswegen sind wir alle auch hier.
Tut mir leid, daß ich kurz störe. Bei diesem heiligen Zorn könnte es sich vielleicht um religiösen Eifer gehandelt haben. Ich habe schnell mal bei Wikipedia nachgeschlagen, wer denn dieser famose Papst Gregor gewesen ist. Da ist zum Beispiel folgendes Zitat von ihm vermerkt:
Wenn ihr feststellt, dass sie [heidnische Sarden] nicht gewillt sind, ihr Verhalten zu ändern [das Christentum anzunehmen], so befehlen wir, dass ihr sie mit größtem Eifer verfolgt. Sind sie unfrei, so züchtigt sie mit Prügeln und Folter, um sie zur Besserung zu zwingen. Sind sie aber freie Menschen, so sollen sie durch strengste Kerkerhaft zur Einsicht gebracht werden, wie es angemessen ist, damit jene, die sich weigern, die Worte der Erlösung anzunehmen, welche sie aus den Gefahren des Todes erretten können, durch körperliche Qual dem erwünschten gesunden Glauben zugeführt werden
Außerdem steht bei Wikipedia noch:
Hatte einige Jahrzehnte zuvor noch Theoderich der Große konstatiert, es sei unmöglich, die Annahme einer Religion zu befehlen (Religionem imperare non possumus, Cass. Var. 2,27), so sollte Gregors Befürwortung gewaltsamer Bekehrung für das westeuropäische Mittelalter wegweisend werden.
Insgesamt läßt die Beschreibung Papst Gregors auf recht ansehnliches Machtbewußtsein schließen. Entschuldigt bitte die Störung! Schramm weiter:
Für alle die nicht verstehen können, daß ich hier Päpste anführe - das kann ich im Prinzip verstehen - sei darauf hingewiesen, daß bis zu Beginn des Mittelalters nicht nur die katholische Kirche sondern daß überhaupt alle Weltreligionen immer über viele Jahrhunderte den Zinswucher als einer der größten Sünden bezeichneten.
Tja, die Zeiten ändern sich halt. Früher, ganz früher, als die heiligen Bücher entstanden, zerstörte Schuld gesellschaftliche Strukturen. Beim ollen Engels kann man nachlesen, wie es um die Zeit des ollen Homers in Griechenland zugegangen ist:
Die Herrschaft des Adels stieg mehr und mehr, bis sie gegen das Jahr 600 vor unsrer Zeitrechnung unerträglich wurde. Und zwar war das Hauptmittel zur Unterdrückung der gemeinen Freiheit - das Geld und der Wucher. Der Hauptsitz des Adels war in und um Athen, wo der Seehandel, benebst noch immer gelegentlich mit in den Kauf genommenem Seeraub, ihn bereicherte und den Geldreichtum in seinen Händen konzentrierte. Von hier aus drang die sich entwickelnde Geldwirtschaft wie zersetzendes Scheidewasser in die auf Naturalwirtschaft gegründete, althergebrachte Daseinsweise der Landgemeinden. Die Gentilverfassung ist mit Geldwirtschaft absolut unverträglich; der Ruin der attischen Parzellenbauern fiel zusammen mit der Lockerung der sie schützend umschlingenden alten Gentilbande. Der Schuldschein und die Gutsverpfändung (denn auch die Hypothek hatten die Athener schon erfunden) achteten weder Gens noch Phratrie. Und die alte Gentilverfassung kannte kein Geld, keinen Vorschuß, keine Geldschuld. Daher bildete die sich immer üppiger ausbreitende Geldherrschaft des Adels auch ein neues Gewohnheitsrecht aus zur Sicherung des Gläubigers gegen den Schuldner, zur Weihe der Ausbeutung des Kleinbauern durch den Geldbesitzer. Sämtliche Feldfluren Attikas starrten von Pfandsäulen, an denen verzeichnet stand, das sie tragende Grundstück sei dem und dem verpfändet um soundso viel Geld. Die Äcker, die nicht so bezeichnet, waren großenteils bereits wegen verfallner Hypotheken oder Zinsen verkauft, in das Eigentum des adligen Wucherers übergegangen; der Bauer konnte froh sein, wenn ihm erlaubt wurde, als Pächter darauf sitzenzubleiben und von einem Sechstel des Ertrags seiner Arbeit zu leben, während er fünf Sechstel dem neuen Herrn als Pacht zahlen mußte. Noch mehr. Reichte der Erlös des verkauften Grundstücks nicht hin zur Deckung der Schuld, oder war diese Schuld ohne Sicherung durch Pfand aufgenommen, so mußte der Schuldner seine Kinder ins Ausland in die Sklaverei verkaufen, um den Gläubiger zu decken. Verkauf der Kinder durch den Vater - das war die erste Frucht des Vaterrechts und der Monogamie! Und war der Blutsauger dann noch nicht befriedigt, so konnte er den Schuldner selbst als Sklaven verkaufen. Das war die angenehme Morgenröte der Zivilisation beim athenischen Volk.
Kein Wunder also, daß Geldverleihen in alten Zeiten als ehrenrührig galt, denn nicht nur in Gentilgesellschaften sondern auch in allen Subsistenzwirtschaften bringen Schulden Verderben. In diesen Selbstversorgungsgesellschaften zerstören Schulden die Substanz des Eigentums, denn Selbstversorger produzieren nicht Waren, die sie auf dem Markt gegen Geld eintauschen, von dem sie die Schuld abzahlen können.

Eine Selbstversorgungsgesellschaft, die man schützen müßte, gibt es heute aber nicht mehr. Die gesamte kapitalistische Wirtschaft produziert heute Waren. Waren sind Güter, die für den Austausch gegen Geld bestimmt sind, und nicht für den Bedarf des Erzeugers. Schulden zerstören heute nicht mehr Eigentum sondern sind notwendig. Bevor nämlich ein Unternehmer auch nur einen Taler gewinnen kann, muß er nämlich Löhne, Preise für Rohstoffe, Werkzeuge etc. vorschießen. Und der Erfolg seiner Unternehmung ist von der Laune des Marktes abhängig. Kapitalistisches Wirtschaften läuft immer auf Spekulation hinaus. Deshalb ist es auch blöd, Spekulanten und Couponabschneider zu hassen, weil ohne sie kapitalistische Wirtschaft nicht zu haben ist. Davon ahnt natürlich jemand nichts, für den die heiligen Bücher eine Quelle der Wahrheit darstellen. Weiter bei Georg Schramm:
Die katholische Kirche ist erst dann davon abgerückt, als sie mit den ersten Banken, die es gab, mit den katholischen Banken angefangen hat, damit Geld zu verdienen. Erst dann ist es schief gegangen. Früher war der Bänker noch Geldverleiher. Diesen Beruf, diesen gesellschaftlichen Status, den er im frühen Mittelalter hatte, den sollten wir ihm wieder besorgen. Es war ein unehrenhafter Beruf, den ein ehrbarer Mensch nicht ausüben wollte. Und die Nonnenmacher und Ackermänner dieser Erde mußten den Dienstboten-Eingang nehmen, um in das Schloß der Mächtigen zu kommen. [...]

Das ist aber schiefgegangen, offensichtlich. Gegen Ende des Mittelalters war die Sache schon anders. Man kann aber nicht sagen, daß dann die Geldverleiher am Tisch der Mächtigen saßen. Das sah damals so aus. Das hat sich bis heute geändert. Heute wäre das Bild sicherlich schief. Wenn eine Kanzlerin wie Merkel im raunenden Ton ganz leise alle paar Tage sagt: "Wir dürfen die Märkte nicht beunruhigen. Wir müssen jetzt alles tun, damit die Märkte wieder Vertrauen in die Politik fassen", dann weiß man doch, daß das nicht die mächtigste Frau der Welt ist. Das ist übrigens nicht einmal die mächtigste Frau im eigenen Land. Liz Mohn und Friede Springer sind mächtiger als Angela Merkel. Und eine Handbewegung von Friede Springer würde reichen, und ihre Lohnschreiber würden Merkel ihrer eigenen Partei zum Fraß vorwerfen, wenn es dem großem Ganzen dienen würde. [...]

War das laut genug? Ja? Sehr gut! Dann schieben wir noch einen hinterher!

Schiefgegangen ist es zum Ende des Mittelalters mit den Geldverleihern, als sie begonnen haben, den Bischöfen, Kardinälen, Königen und Kaisern den Wahlkampf zu bezahlen. Und dafür wollten sie etwas: das Monopol auf den Silbertaler und seine Prägung. Dabei ist es bis heute geblieben. Bedauerlicherweise.

Nach diesen lauten Tönen möchte ich zu etwas Produktivem übergehen, nämlich: Ich möchte mich dagegenstellen, daß diese Politik, die wir hier erleben, alternativlos ist. Oder sagen wir einmal so: Was ist das für ein Konflikt? Ich werden nicht Karl Marx oder irgendeinen Linken bemühen. Die kennen wir alle. Wir bemühen die Leute, die besonders weh tun, wenn sie argumentieren, wenn wir mit der Regierung und dem bürgerlichen Lager reden. Lassen wir Warren Buffet zu Wort kommen. Wir erlauben es ihm zu unserem Zweck. Ihr kennt Warren Buffet? - einer der vier oder fünf reichsten Männer der Welt der Erde - geschätzte 40 Milliarden - das ist der, der zu den eigenen Aktionärsversammlungen mit Harley-Davidson-Hosenträgern und Zigarren zum Interview erscheint. Der ist kürzlich in einem Interview gefragt worden, was er für den zentralen Konflikt unserer Tage hält. Und da hat er gelacht, und da hat er gesagt: "Der Klassenkampf natürlich! Der Krieg der Klasse der Reichen gegen die Klasse der Armen! Und meine Klasse, die Klasse der Reichen, die gewinnt gerade!" Daraufhin hat er sich eine Zigarre angesteckt. Ich glaube, daß Warren Buffet auf einem guten Weg ist, aber er ist noch nicht beim Sieg. Sie haben viele Schlachten gewonnen aber noch nicht den Krieg. Den haben sie noch nicht gewonnen. [...] Sie bringen Kunststücke fertig, die keiner für möglich hält. Sie verlieren eine Schlacht bei der Finanzkrise und lassen ihren Gegner die Zeche bezahlen. Das ist eine erstaunliche Leistung gewesen. Der Unterschied von vor der Finanzkrise und heute ist: Damals waren es der Banken Schulden und jetzt sind es unsere Schulden. Das muß man erst mal nachmachen! Und wenn man sich die Häuser anguckt, vor denen wir stehen, dann werden wir noch einiges zu tun haben. So schnell geht es nicht, zumindest nicht über Nacht. Wir haben uns vorhin mit einem alten Frankfurter Straßenkämpfer unterhalten. Der weiß noch, wie 15-, 20000 Leute beträchtliche sechsstellige Sachschäden verursacht haben - noch in DM, aber immerhin. Und da hatten wir gemeinsam die Vorstellung: Diese Dinger [die Bankhochhäuser am Occupy-Camp] werden nicht über Nacht einkrachen. Aber die Vorstellung, daß die, die darin arbeiten, eines Tages jeden Morgen aus dem Arbeitslager kommen müssen, mit einem Hammer und einer Sichel, und müßten diese Dinger von oben langsam abtragen. [...] Im Moment, gebe ich zu, sieht es noch nicht danach aus.

Wir erleben gerade noch eine andere Krise. Wir erleben, daß in Griechenland und in Italien Bänker die Regierung übernehmen. Das ist nicht gerade ein Gewinn für uns, wenn ich das mal so sagen darf. Und außerdem haben wir uns daran gewöhnt, ohne Widerspruch, daß es in Europa einen hochgeachteten Mann gibt, der eigentlich der Schutzpatron einer Steueroase und einer Steuerhinterziehungsmafia ist, der sich immer als Ministerpräsident von Luxemburg anssprechen läßt - seltsamerweise. Jean-Claude - ein sehr schöner Name!

Jetzt aber nach dieser miesepetrigen Zwischenbemerkung möchte ich Alternativen aufzeigen zu dieser angeblichen Alternativlosigkeit. Ich gehe wieder zurück, wieder in die Geschichte. Das kann ich mir in meinem Alter erlauben. Wir gehen zunächst zurück in das Jahr 1637. Jeder kennt die Tulpenspekulationsblase, die damals geplatzt ist. Das war auch nicht die erste und auch nicht die letzte. Es platzen viele Spekulationsblasen, seit es den Kapitalismus gibt. Damals - wissen wir alle - platzte diese Blase. Die Pointe und das Happy-End dieser geplatzten Tulpenzwiebelblase, das kennen die wenigsten. Das möchte ich aber kurz vortragen: Als das hingeplatzt ist, sind wie üblich sämtliche Spekulanten, Bänker, Gläubiger, Aktionäre zur damaligen Regierung gerannt und haben gefordert, Steuergelder müßten sofort verteilt werden. Sonst bricht in ganz Mitteleuropa - nicht das, was wir heute Holland nennen - das wirtschaftliche und soziale Gemeinwesen zusammen. Die damalige Regierung war darüber so erschrocken, daß sie sich 24 Stunden Bedenkzeit erbeten hat. Und daraufhin wurde folgende Regierungserklärung verlesen - ich zitiere: "Die Tulpenzwiebelspekulationen sind in einer Art Fieber zustandegekommen, also im Zustand der Unzurechnungsfähigkeit. Bei Spielsucht ist aber nicht der Staat zuständig sondern nur der Arzt. Ende der Regierungserklärung." Diese Geschichte hat eine Doppelpointe: Der damalige Staat hat sich nämlich überraschend schnell von der geplatzten Blase erholt. Aber: Heerscharen von Spekulanten, Bänkern und Gläubigern haben sich damals nicht wie heutzutage vor Regionalzüge geworfen oder vom Dach ihres Hochhauses sondern vor vorbeigaloppierende Pferdekutschen, aber, egal wovor sie sich hingeworfen haben, sie waren tot, und das ist das Happy-End an der Geschichte. Das hat eine Pointe!

Ich darf das so formulieren. Ich möchte an dieser Stelle sicherheitshalber noch einmal an die Damen und Herren vom Verfassungsschutz darauf hinweisen, daß es sich hierbei nicht um einen Aufruf zu Gewalt gehandelt hat, sondern um ein Stimmungsbild. Ich bin Kabarettist. Ich weise darauf hin: Ich darf das. [...]

Es wäre in meiner Funktion als Politclown in der Pause zwischen den ernsthaften Beiträgen, als Satiriker auch kein Aufruf zur Gewalt, wenn ich darauf hinweisen würde, daß es Staatsbankrotte früher en masse gegeben hat, und daß zum Beispiel in Frankreich vor der Revolution es innerhalb von 80 Jahren acht Staatsbankrotte gab. Und der wurde jedesmal so gelöst, daß alle sich noch im Lande befindlichen Gläubiger geköpft wurden. Das war eine etwas tiefer angesetzte Variante des Haircut, wie er heute benutzt wird. [...] Das war kein Handlungsvorschlag. Das war ein Stimmungsaufheller.
Lieber Leser! Bist Du noch wach? Ich habe lange geredet. Möglicherweise gibt es andere Autoren, die besser argumentieren als ich. Vielleicht überzeugt Euch das oder das. Das ist nicht viel. Das ist sogar viel zu wenig. Im Gegensatz zu den Zinskritikern sind deren Kritiker wenige. Daß das Internet von Zinskritik überquillt, habe ich ja schon in der Einleitung nachgewiesen. Warum sollten ausgerechnet deren Gegner gehirngewaschen sein, wenn deren Stimmen kaum zu hören sind?
Wie sich selbst kritische Geister manipulieren lassen
Wenn die Gegner manipuliert wären, müßte es doch mehr von ihnen geben. Aber das kennt man ja. Gegner sind manipuliert, denn wären sie es nicht, dann würden sie ja Spinat essen. Ich wünsche eine gute Nacht! Als Betthupferl gibt es jetzt noch den Rest von Georg Schramms Rede. Schlaft schön!
Ich möchte auch noch aus ernsthafteren Grunde ohne satirischen Unterton darauf hinweisen, daß wir in der jüngeren Geschichte, wenn immer behauptet wird, es wäre alternativlos, es gäbe kein Vorbild für die Situation. Das ist eine dreiste Lüge. Es hat vor 80 Jahren eine weltumfassende Wirtschafts- und Finanzkrise gegeben, die sehr gut dokumentiert und analysiert worden ist. Damals gab es sehr unterschiedliche Reaktionsweisen in den Ländern dieser Erde - die Krise ging auch nicht nur zwei, drei Jahre, sondern Ende der Zwanziger bis Mitte der Dreißiger Jahre. Wir erinnern uns - die Älteren, die Jüngeren natürlich nicht - die Alten erinnern sich: im März 1933 ging ein außergewöhnlicher Ruck durch ganz Deutschland: Hitler hat die demokratischen Grundrechte abgeschafft mit einem Gesetz, das wir alle Ermächtigungsgesetz nennen, aber in Wirklichkeit hieß es "Gesetz zur Beseitigung von Not und Elend im deutschen Volk". Es war gedacht als Antwort der Nationalsozialisten auf die Wirtschafts- und Finanzkrise. Ich lege Wert darauf, daß das bürgerliche Lager, das in systemischen Krisen so gut bescheidweiß, wie man alternativlos das Richtige tut, daß die damals ihre Hand gehoben haben für die Abschaffung der demokratischen Grundrechte. Und wißt ihr auch, wie die Nationalsozialisten das geschafft haben? Hitler hat ihnen einen Judaslohn gezahlt, der so jämmerlich war, daß man es nicht glauben mag: Er hat den Bürgerlichen versprochen, daß Amt und Funktion des Reichspräsidenten Hindenburg erhalten bleiben, wenn sie dafür zustimmen, daß die demokratischen Grundrechte abgeschafft werden.

Und sie haben das damals getan, alternativlos, in einer systemischen Krise, als sich Hochfinanz und Schwerindustrie einen rechtsradikalen Schlägertrupp geleistet haben, um dieser Weltkrise entgegenzutreten. Da ist in einem anderen Land dieser Erde etwas ganz anderes passiert: Fünf Tage, bevor Hitler hier die demokratischen Grundrechte außer Kraft gesetzt hat, hat Präsident Roosevelt das Gegenteil getan. Er hat in den USA, im kapitalistischsten Land der Erde, ein 650 Seiten schweres Gesetzeswerk in Kraft gesetzt, den New Deal Act. In einem Land wie der USA, die damals in einer sehr schweren Krise waren, vier Jahre Rezession, Massenarbeitslosigkeit, Zusammenbruch des Bildungssystems, Zusammenbruch der Mittelschicht und ihre Verarmung. Das Land war ausgeplündert von Superreichen. Also etwa so wie heute. Eine Generation später war Amerika ein blühendes Land, es hatte eine prosperierende Mittelschicht, keine Arbeitslosenquote, die diesen Namen verdiente, einen Mindestlohn, aber der diesen Namen verdiente, es hatte Universitäten, Straßen, Schulen, die ihresgleichen damals gesucht haben. Wie hat er das gemacht, der Herr Roosevelt? Durch eine systematische Verringerung des Abstandes zwischen arm und reich. Er hat die Einkommenssteuersätze auf 78% in die Höhe getrieben. Er hat die Erbschaftssteuer auf 48% hochgehoben, und als das Geld noch nicht reichte, mußten die Reichen zwangsweise ihr Gold beim Staat abliefern. Und dann hat dieses Land seinen Frieden gefunden! Eine ganze Generation! Ich zitieren einer der wichtigsten Sätze von Roosevelt im Wahlkampf im Jahre 1936, als ihm alle politischen Auguren garantiert haben, daß er diesen Kraftakt, daß er aus den Superreichen Wohlhabende gemacht hat, daß er das politisch nicht überlebt. Im Wahlkampf war einer seiner wichtigsten Sätze - ich zitiere: "Wir müssen uns alle der Feinde erwehren. Wirtschafts- und Finanzmonopole, Spekulanten und rücksichtslose Banken. Sie alle betrachten die Regierung schon als bloßes Anhängsel ihrer Geschäfte. Die Regierung des Geldes ist genauso gefährlich wie die des organisierten Pöbels." Und im kapitalistischsten Land der Erde hat dieser Mann die Wahlen gewonnen, 1936!

Und nun zum Schlußwort, liebe Freunde! Ich möchte Ihnen zunächst danken. Es ist mir eine Ehre gewesen, vor denen, die in der vordersten Front immer wieder auf die Straße latschen, manche zum ersten, manche zum wiederholten Male, sprechen zu dürfen. Ich betrachte mich als eine Art Marlene Dietrich, nicht optisch, aber in ihrer Funktion. Auch für Marlene Dietrich war es eine Ehre, für die amerikanischen Soldaten in unmittelbarer Nähe zum Schützengraben aufzutreten und zu tanzen und zu singen, weil sie gesagt hat: "Ihr seid die wichtigsten, die wir haben." Ihr Bildnis ist sehr wichtig, für das, was in diesem Land in den nächsten Monaten passieren wird, und ich denke, ehe der Hahn dreimal kräht, wird die Zentralbank Geld drucken ohne Ende. Und was dann daraus wird, weiß kein Mensch. Ob das gut oder schlecht ist, weiß man auch nicht. Ich ende mit einem Satz von Henry Ford d.Ä. - ich liebe es, Kapitalisten zu zitieren -; Henry Ford d.Ä hat gesagt: "Es gut, daß die Menschen des Landes unser Banken- und Geldsystem nicht verstehen. Denn sonst, glaube ich, hätten wir noch morgen früh eine Revolution." Wir lernen täglich dazu. Und irgendwann haben wir genug verstanden, sind ausgeschlafen. Bis dahin treffen wir uns hin und wieder zusammen, und dann sehen wir mal, was wir zustande kriegen. Ich danke Euch!

Nachtrag (2012-01-23):Oh! Da hat mich ja jemand vollkommen falsch verstanden:
Dabei beschleichen einem manchmal die Gedanken, warum ist das so? Warum sind wir in der Krise, ok, Verschuldung, zuviel ausgegeben, ja schon, manche schreiben es dem Kapitalismus zu, aber der Sozialismus hat ja auch nicht funktioniert, in diesem Artikel wird die Ursache also nicht in diesen beiden Ideologien gesucht, sondern im Zins: [dann folgt Zitat zu diesem Ausatz hier]
Wie ist so etwas möglich? Im Gegensatz zu ihm lege ich es doch nicht darauf an, nicht verstanden zu werden (Sie wissen: Ich liebe lange, komplizierte Sätze. Nicht nur, weil das Konstruieren solcher Gebilde lustig ist, sondern auch, weil sie ein zuverlässiges Mittel sind, diejenigen, von denen sie in aller Regel handeln, aus der Lektüre aussteigen lassen. Es plaudert sich besser, wenn die Kinder im Bett sind.; *kopfschüttel*). Aber so schlimm ist das nicht. Schickt mir bitte ruhig ein paar Zinskritiker und Goldfetischisten her, liebe Überlebenstrainer! Ich freue mich auf sie.