Techniker, Ingenieure und Vertreter der exakten Wissenschaften verspüren instinktiv einen Widerwillen gegen feministische Theorien. Feministische Theorien schließen sich an philosophische Systeme an, die von diesen Gruppen nicht verstanden werden. Zu esoterisch und damit zu vernunft- und wissenschaftsfeindlich, zu unverständlich sind deren Aussagen. Und zu anmaßend, dogmatisch treten Feministen auf. Selbst Feministen bemerken jedoch alle diese Probleme ausgerechnet am von mir so genannten grünen Matriarchalismus, über den Antje Schrupp erst kürzlich berichtete. An ihren Bericht schloß sich eine umfangreiche und interessante Diskussion an, an der sich auch einige Vertreter des grünen Matriarchalismus beteiligten. Die heftige Kritik von Feministen finde ich sehr erstaunlich. Natürlich treten einige grüne Matriarchalisten dogmatisch und autoritär auf, und bezeichnen sich oft als spiritualistisch, bekennen sich also unverhohlen zu Vernunft- und Wissenschaftsfeindschaft, und finden nichts dabei, okkulte Rituale zu praktizieren. Aber ausgerechnet im grünen Matriarchalismus findet man einen Anflug von Rationalität. Grüne Matriarchalisten verwenden in der Regel einen sinnvollen Begriff vom Patriarchat, was im Feminismus nicht selbstverständlich ist. Sie wissen auch, daß das Patriarchat sich in der Frühzeit der Menschheit herausgebildet hat, und, daß die längste Zeit die Menschen ohne das Patriarchat auskamen. Die Kritik am Patriarchat wird allerdings verkürzt, und läuft dann eben doch nur auf die Feindschaft gegen das männliche Geschlecht hinaus.
Groß ist der Mensch. Sein Verstand stiftet ihn dazu an, seine Umwelt seinen Bedürfnissen anzupassen und zu verändern. Er hat seine gesamte Lebensumwelt neugeschaffen. Er wohnt in Häusern, betreibt Landwirtschaft, fertigt seine Kleidung, die ihm hilft, in den gemäßigten Klimazonen zu überleben. Er erfindet, denkt, plant und handelt. Er schuf komplexe Theorien über sich und die Welt. Jedoch ist der menschliche Geist nicht dazu bestimmt, Differentialgleichungen zu lösen und Raketen zu bauen. Sinn und Zweck menschlichen Geistes ist die Organisation menschlicher Gesellschaft. Deshalb beeinflußt nicht nur Rationalität sondern auch Irrationalität menschliches Denken. Er beschäftigt sich mit Moral, stellt soziale Ansprüche an sich und seine Gesellschaft, bewertet alle Gegenstände, mit denen er sich beschäftigt, nach moralischen Maßstäben, und entwickelt eine emotionale Beziehung zu ihnen. Er teilt sie in Dinge ein, die ihm nützen, solche, die ihm schaden, und solche, die er bekämpfen muß.
Menschen denken nicht nur rational. Sie träumen auch. Zum Beispiel von einer besseren Welt, einer Welt ohne Ausbeutung, ohne Umweltzerstörung, von einer Gesellschaft, in der die Menschen ohne Beziehungskrisen miteinander auskommen, in der Frieden herrscht, und Gewalt und Armut aus ihr verbannt sind. Auch Techniker, Ingenieure und exakte Wissenschaftler träumen davon. Und sie träumen Menschheitsträume, Träume von ewiger Jugend und Gesundheit, von der Weltformel, die alles erklären kann, von Reisen zum Mars. Und sie träumen von gesellschaftlicher Anerkennung, die sie antreibt, diese Träume zu verwirklichen. Im Unterschied zu Grünen, Feministen und Esoterikern wissen aber Techniker, Ingenieure und exakte Wissenschaftler, daß man hart arbeiten muß, um Menschheitsträume verwirklichen zu können. Aus Erfahrung wissen sie, daß der Wert ihrer Erfahrung und ihres Spezialwissens davon abhängt, inwieweit sie den subjektiven Faktor, d.h. Moral, soziale Ansprüche, Wunschvorstellungen, emotionale Beziehung zum Gegenstand und jede andere Art Irrationalität zurückdrängen. Diese Gruppen verlangen nach klaren Begriffen und präzisen Beweisen, und lehnen Spekulationen und die meisten philosophische Systeme ab.
Auf den ersten Blick erscheint die Praxis asozial, Wissenschaft vom subjektiven Faktor freizuhalten. Emotionale Beziehungen zu Verstandesgegenständen führen aber im günstigsten Falle zu selektiver Wahrnehmung von Argumenten und Fakten, indem sie in moralisch einwandfreie und bedenkliche klassifiziert werden. In schlimmeren Fällen wirkt diese emotionale Beziehung destruktiv. Die alte Maxime "Töten, um zu leben" schützt die Menschheit vor ihren Feinden, aber gebiert auch das Ressentiment, und den Menschenhaß, wenn sich das Ressentiment gegen Teile der Menschheit richtet. Nun, niemand hat verlangt, daß Du Deinen Gegenstand hassen sollst. Aber aufgepaßt! Diese Maxime pflegt, sich gut zu verstecken. Die Maxime heißt auch "Liebe", Liebe für das Vaterland zum Beispiel, die Fremdenhaß bedeutet. Sie nennt sich gern "Empathie für Opfer". Da, wo es Opfer gibt, gibt es nämlich auch Täter. Täter vernichten Opfer, wenn sogenannte Täterschützer den Mob davon abhalten, die Täter zu vernichten. Opfer haben das Recht zur Notwehr. Sie dürfen Dinge tun, die den übrigen Mitgliedern der Gesellschaft nicht gestattet sind. Und sie haben ein Anrecht auf Unterstützung. Und die kommt wie von selbst. Sich einem Mob anzuschließen, schafft nämlich soziale Anerkennung und Identifikation. Vollkommen ehrenwert gelten die Taten dieses Mobs, die unter gewöhnlichen Umständen geächtet wären.
Grüne, Feministen und Esoteriker fordern den subjektiven Faktor in der Wissenschaft. Sie betreiben ihrer Meinung nach radikale Kritik am "System", an der Gesellschaft, wollen ihre Identität als bürgerliches Individuum, also als Mitglied ebendieser Gesellschaft, aber nicht in Frage stellen. Die gesellschaftlichen Normen, Vorurteile, das Selbstbild darf bei aller Radikalität nicht angetastet werden. Typisch für diese Radikalinskys ist daher eine Dichotomie, bei der das bürgerliche Subjekt die bürgerliche Gesellschaft bekämpft. Bekanntestes Beispiel sind gewisse Anhänger Gesells Zinskritik. Sie geben vor, gegen den Kapitalismus zu kämpfen. Der Zins gilt ihnen als leistungsloses Einkommen. Die Bezeichnung "leistungsloses Einkommen" legt nahe, daß dieses Einkommen moralisch nicht gerechtfertigt sei, weil es nicht durch "ehrliche Arbeit" erarbeitet wurde. "Ehrlich erarbeitet" hätten ihr Einkommen nur Unternehmer in der Realwirtschaft, die Arbeit & Wohlstand schüfen. Diese Anhänger kämpfen für die "Marktwirtschaft", die ihrer Meinung nach ganz was anderes ist, als Kapitalismus. In dieser "Marktwirtschaft" verdienten die Menschen ihr Einkommen alle durch "ehrliche Arbeit". Das alles ist nichts anderes als die kapitalistische Arbeitsideologie, die gesellschaftliche Norm des bürgerlichen Subjekts. Diese vorgeblichen radikalen Gesellschaftskritiker sind also die entschiedensten Verteidiger des kapitalistischen Gesellschaft.
Die Radikalinskys prägen für "die Gesellschaft" zwei Begriffe. Der eine Begriff charakterisiert die Gesellschaft moralisch abwertend. Gesellschaft nennt sich "Patriarchat" oder "Kapitalismus". Gegen diese Gesellschaft richtet sich radikale Kritik. Sie selbst identifizieren sich mit einem anderen Begriff, der eine Utopie oder ein Ideal bezeichnet und sich "Matriarchat" oder "Marktwirtschaft" nennt. Die Maxime lautet nun "Töte, um zu leben!". Dazu muß dem moralisch abgewerteten Gesellschaftsbegriff eine gesellschaftliche Partei zugeordnet werden. Begriffe können sich ja schlecht einander bekämpfen. So kommt es zur Personalisierung der Begriffe. Jetzt handelt diese Partei, die den positiv bewerteten Begriff repräsentiert, nach der Maxime "Töte, um zu leben!", und ruft den Mob zu Hilfe, um die Partei zu vernichten, die dem negativen Gesellschaftsbild entspricht. Gewisse Anhänger Gesells Zinskritik aber auch viele Globalisierungskritiker personalisieren den Kapitalismus im Juden, im überbezahlten Manager, im Bänkster. Die Rede ist dann vom "strukturellen Antisemitismus". Diese Rede übernehme ich aber höchst ungern, da ich die dabei zugrunde liegende Erklärung für den europäischen Antisemitismus zu einfach und zu unspezifisch finde. Feministen identifizieren in den Männern das Patriarchat. Diese personalisierte Feindschaft gegen ein Gesellschaftsbild gefährdet aber nicht nur die angefeindeten Personengruppen, sondern führt auch zu paradoxen Allianzen, sogenannten Querfronten. So bringen es angeblich antikapitalistische Linke fertig, sich mit den entschieden den Kapitalismus verteidigenden Kräften an der rechten Seite des politischen Spektrums zu verbrüdern, weil sie dieselben Feinde bekämpfen.
Grüne Matriarchalisten setzen dem Patriarchat die Utopie einer Weiberherrschaft entgegen, die es ihrer Meinung nach vor Urzeiten schon einmal gegeben haben soll. Diese Weiberherrschaft, das sogenannte Matriarchat, wünschen sie sich zurück. Dieses Matriarchat statten die grünen Matriarchalisten mit allen Merkmalen aus, die sie an der Gesellschaft wertschätzen. Das sind z.B. kulturelle Leistungen, hier dargestellt von Frau Dr. Kirsten Armbruster im folgenden Kommentar:
Die ersten und die elementar wichtigen Kulturleistungen wurden ebenfalls im mütterlichen Umfeld entwickelt. So finden wir die ältesten Bestattungen eine Kulturleistung, die uns von den Tieren unterscheidet schon 100 000 v. u. Z.. Das Feuer, was bis heute als Herdfeuer den Müttern zugeordnet wird, ist eine mütterliche Entdeckung. Die Sprache als Muttersprache die ich bereits erwähnt habe die Medizin aus Pflanzen, die sich aus dem Erfahrungsschatz des weiblichen Kollektivs entwickelt, die Kunst in den Höhlenmalereien, die wie Marie König genau beschrieben hat, einen mütterlichen Kosmos wiedergeben, einschließlich der Hörneranalogien mit den drei Phasen der Mondin, die Urmütterfigurinen von Tan Tan, von Berekhat Ram, vom Hohle Fels, von Laussel, von Dolni Vestonice, von Avdeevo, von Willendorf, von Lespugue, um nur einige aus dem Paläolithikum zu nennen. Aus der heiligen Menstruation heraus, wurde von den Müttern die ersten Kalender entwickelt. Dann um 11 000 v. u. Z. entsteht im mütterlichen Umfeld in Japan die erste Keramik, dann mit Beginn des Neolithikums und der Sesshaftigkeit entwickelt das Kollektiv der Frauen die ersten domestizierten Pflanzen, dann die Kunst des Spinnens und des Webens und schließlich wird auch die erste Schrift im mütterlichen Umfeld entwickelt, nämlich die Vincaschrift im Donauraum, eine sakrale Schrift auf Spinnwirteln und um das Umfeld von Hausaltären, die 2000 Jahre älter ist als die sumerische Keilschrift.Ich hoffe, daß diese Fakten zutreffen. Ganz sicher bin ich mir da nicht. Zum Beispiel streiten sich die Gelehrten noch immer um die Bedeutung der Vinca-Zeichen. Ob diese Zeichen eine Schrift darstellen, oder überhaupt etwas bedeuten, und was sie bedeuten, wenn sie was bedeuten, hat sich nach meinem Kenntnisstand noch nicht feststellen lassen. Leider ging mit der Entwicklung menschlicher Kultur auch die Zerstörung der Natur einher. Für den Ackerbau mußten Flächen gerodet werden, diese Rodungen führen zu Bodenerosion, Viehzucht führt zu Überweidung, künstliche Bewässerung zur Bodenversalzung. So geht es weiter bis zum heutigen Tage. Diese mit den positiven Seiten eng zusammenhängenden negativen Seiten werden dem Patriarchat angelastet:
Das Patriarchat und die Überhöhung der Vaterschaft gibt es erst seit circa 6000 Jahren, und diese Überhöhung der Vaterschaft, diese Herrschaft der Väter hat der Welt überwiegend Zerstörung gebracht.Hier erkennen wir sehr deutlich die schon angeführte Dichotomie des Gesellschaftsbildes. Diese Dichotomie, mit der Idealisierung des Matriarchats auf der einen Seite als Gegenkonzeption zum Patriarchat auf der anderen Seite führt zu Wirklichkeitsverzerrung und damit zu Unwissenschaftlichkeit. Gabriele Mirhoff bringt die Illusionen der grünen Matriarchalisten sehr schön auf den Punkt, in dem sie, wie sie angibt, David Signer zitiert:
Interessant am Kongress in Texas waren die Beiträge von Vertreterinnen aus «matriarchalen» Gesellschaften. Interessant auch deshalb, weil sie die Verallgemeinerungen der Veranstalterinnen durch ihre konkreten Berichte oft relativierten. So zeichnete etwa eine Vertreterin der Khasi in Indien ein Bild ihres immer wieder als matriarchales Paradebeispiel zitierten Volkes, das nicht gerade Göttner-Abendroths Ideal entsprach.Wie man am vorletzten Satz deutlich erkennt, hängt Gabriele Mirhoff bzw. David Singer selbst feministischen Überzeugungen an. Offenbar stört sie die Begleiterscheinungen wissenschaftlichen Arbeitens, wie die Einführung neuer Termini, die natürlich das Denken in totalisierender, generalisierender Weise beeinflussen können. Kritisiert sie zwar den grünen Matriarchalismus für dessen idealisierte Sicht auf vor-pariarchalische Gesellschaften, fordert aber selbst den "subjektiven Faktor". Und natürlich lastet sie das angebliche Problem dem Patriarchat an. Typisch feministisch ist auch die Projektion ihrer Feindschaft auf die sie umgebende Gesellschaft, die ihre Feindschaft als Notwehr gegen die durch ihre Feindschaft ausgelösten Reaktionen hinstellt. Nicht der Begriff "Matriarchat" oder die Wissenschaft polarisiert sondern Feminismus.Die Khasi sind nicht demokratisch, stellte sie lakonisch fest. Es herrscht eine ausgeprägte Oligarchie, nur gewisse Clans haben Zugang zur Macht. Es gibt grosse Spannungen zwischen den Geschlechtern; die Männer empfinden die Matrilokalität als drückend, wo sie unter der Kontrolle ihrer Schwiegerfamilie leben müssen. Sie versuchen ausserhalb der Khasi zu heiraten. Die Scheidungsrate ist hoch und häusliche Gewalt alltäglicher als in allen anderen Gesellschaften der Region; Alkoholismus auch. «Matriarchat», sagte die Khasi-Frau, ist ein patriarchaler Ausdruck (generalisierend, totalisierend, polarisierend). «Man sollte zuerst einzelne Kulturen studieren und dann verallgemeinern, und nicht umgekehrt.